„Wait a minute! Wait a minute! You ain’t heard nothin’ yet!” – mit diesem Satz aus dem Film The Jazz Singer (Der Jazzsänger USA 1927) beginnt 1927 die Ära des Tonfilms. Weltweit kommen nun Filme in die Kinos, in denen das Publikum den Darsteller:innen zuhören kann – und muss.
Die ersten „Sprechfilme“ wirken noch ungelenk. Die Tonaufnahmen schränken die Beweglichkeit der Kamera ein, die Stimmen der Darsteller:innen klingen blechern, die Musik scheppert aus den Lautsprechern. Trotzdem: Das Interesse des Publikums an den „Talkies“ ist riesig. Die Studios und Kinos der großen Filmnationen rüsten bis 1930 nahezu vollständig auf Ton um.
Für Kinomusiker:innen ist die Einführung des Tonfilms eine Katastrophe. Die Kinoorchester werden aufgelöst, die Orgeln und Klaviere aus den Sälen entfernt. Die Musiker:innen landen massenhaft auf der Straße. In den Zeiten der Weltwirtschaftskrise ein besonders hartes Los.
Verlierer:innen gibt es auch unter den Schauspieler:innen weltweit. Wer eine dünne oder fiepsige Stimme hat oder einen harten Akzent, hat es schwer.
Das bekommt der deutsche Superstar Emil Jannings zu spüren, der 1926 nach Hollywood übergesiedelt war. Jannings spricht zu schlecht Englisch. Eben noch mit dem allerersten Schauspiel-Oscar gekürt, bleiben nun die Engagements aus. 1929 kehrt Jannings nach Berlin zurück und hat – anders als viele Kolleg:innen – Glück: Schon bald steht er wieder mit einer Paraderolle für die Ufa vor der Kamera.
In den Anfängen des Kinos war das bewegte Bild die Sensation. Jetzt stürmen die Massen wegen des Tons die Filmpaläste: Sie wollen die Stars sprechen hören – und besser noch: singen! Das Musical, ein ganz neues Genre, stößt auf ungeahnte Begeisterung. Beliebt sind auch Screwball-Comedies, in denen die Darsteller:innen den Geschlechterkampf mit scharfzüngigem Wortwitz austragen.
Als Meister beider Genres erweist sich der emigrierte Berliner Ernst Lubitsch, der schon zu Stummfilmzeiten in Hollywood ein gefeierter Regisseur war. Sein Beispiel zeigt: Der Ton ist nicht das Ende der Filmkunst, mit ihm beginnt ein neues Kapitel.
1932 preist Lubitsch den Tonfilm als größten Fortschritt, den er sich als Regisseur vorstellen könne. Allein die Ausmerzung der störenden Untertitel genüge, um die Existenz des Tonfilms zu rechtfertigen. Wenn der Mensch auf der Leinwand die Lippen bewege, müsse man hören, was er sagt.
Weitere Quellen:
– Plakat Melodie des Herzens: rarefilmsanmore.de
– Plakat Tonfilm ist Kitsch: Babelsberger Tonfilmgeschichte von Ulrich Illing, S.9
– Emil Jannings und seine Gattin: Bundesarchiv, Bild 102-07770/CC-BY-SA 3.0/Wikimedia Commons)
– Radiointerview Lubitsch: SWR/Deutsches Rundfunkarchiv DRA